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Was wir von anderen Nationen über den Nutzen von Patientenportalen lernen können

In den USA sind digitale Patientenportale seit vielen Jahren im Einsatz. Und zahlreiche Studien belegen: Ihr Nutzen und Ihre Wirtschaftlichkeit sind groß. Welche Erkenntnisse für die Umsetzung des Förderbestands 2 des KHZG jetzt wichtig sind – eine Analyse.

„Patientenportale können Patienten und Gesundheitsdienstleistern gleichermaßen Vorteile bieten. Vor allem wenn Sie mit einer elektronischen Patientenakte interagieren, haben diese Technologien das Potenzial, sowohl die Qualität als auch den Zugang zu medizinischer Betreuung zu erbessern, indem sie es Patienten ermöglichen, über Features elektronisch und sicher mit ihren Anbietern zu kommunizieren.“

Das ist ein Zitat aus einer Studie der California HealthCare Foundation mit dem Titel „Measuring the Impact of Patient Portals: What the Literature Tells Us”. Vor dem Hintergrund des KHZG und der wachsenden Bedeutung digitaler Patientenportale in Deutschland, klingen Zitat und Studie hochaktuell – sind sie aber nicht. Tatsächlich ist die Studie bereits zehn Jahre alt. Sie wurde im Mai 2010 veröffentlicht.

Das führt uns derzeit vor allem zwei Dinge vor Augen. Erstens unterstreicht es, dass wir mit vielen Digitalisierungsthemen, die bei uns und in Europa gerade „brandaktuell“ sind, lediglich den Anschluss an führende Nationen suchen, die bei der Digitalisierung ihres gesundheitswesens schon viel weiter sind. Allerdings hat der Vorsprung anderer Nationen auch einen Vorteil, womit ich beim zweiten Punkt wäre. Denn aus dieser Erfahrung zum Nutzen und der Wirtschaftlichkeit digitaler Patientenportale können wir einiges Lernen. Und genau darauf möchte ich mich aktuell konzentrieren – zum einen, weil ich bisher kaum eine Gelegenheit ausgelassen habe, zu betonen, wie wichtig es ist, dass wir den Anschluss nicht verlieren. Ich denke, diese Botschaft ist mittlerweile angekommen. Zum anderen müssen wir in Europa nicht mehr dieselbe Lernkurve durchlaufen, wie die „Early Adopters“ – und das verschafft uns wiederum einen Vorteil.

Studienlage in den USA und Kanada eindeutig


Aber zurück zu den Studien. Ebenfalls schon älter, nämlich 2014 veröffentlicht, ist eine Metastudie der Erasmus Universität Rotterdam und der University of California Berkeley, die untersucht haben, wie klinische Ergebnisse mittels eines Patientenportals erreicht werden können. Auch hier kommen die Studienmacher zu dem Ergebnis, dass vor allem integrierte Lösungen die klinischen Ergebnisse und die Erfahrungen der Patienten verbessern und damit ihre Kooperation erhöhen können. Vor allem haben die Studienmacher vier relevante Mechanismen identifiziert, die auf diese Verbesserungen einzahlen:
Einblicke in die persönlichen Gesundheitsinformationen der Patienten, die Nutzbarmachung dieser Informationen, eine zwischenmenschliche Fortdauer der Behandlung sowie zweckmäßige Services. Auch hier basiert die Auswertung vor allem auf Daten integrierter, vernetzter gsundheitsdienstleistungen aus den USA.

Eine neuere Studie aus Kanada hat Nutzer eines Patientenportals zwischen Januar 2016 und Juli 2018 zum Mehrwert des Portals befragt. Zunächst gaben 93 Prozent der Studienteilnehmer an, dass das Patientenportal einfach zu bedienen sei. 51 Prozent fanden zudem, dass es zeitsparend sei, über das Portal Termine zu buchen. 40 Prozent mussten sich sogar weniger häufig während ihrer Termine wiederholen. Zudem nahmen die Befragten Veränderungen im Gesundheitssystem wahr, die sie auf das Portal zurückführten. Beispielsweise mussten 48 Prozent der Befragten gar nicht mehr physisch in die Klinik, 2,7 Prozent konnten sogar den Besuch der Notaufnahme vermeiden. Und von den knapp 20.000 Klinikbesuchen, lag die Quote der versäumten Termine bei 9,5 Prozent ohne und bei nur 4,5 Prozent mit Nutzung des Patientenportals. Oder in anderen Worten: Die „No-Show-Rate“ wurde dank des Patientenportals um 53 Prozent reduziert.

Europäische Studien zeigen: Aufklärung ist alles


Mittlerweile gibt es auch in Europa erste Studien und Analysen zur Nutzung und Wirtschaftlichkeit digitaler Patientenportale. Beispielweise eine aus dem letzten Jahr der Erasmus Universität Rotterdam. Ein besonders interessanter Aspekt dieser Analyse: Immer dann, wenn Patienten oder Healthcare Professionals ein Patientenportal nur eingeschränkt nutzen, sind die Gründe nicht-technischer Natur. Beispielsweise sorgen sich Patienten über den vertraulichen Umgang mit ihren Daten. Oder aber sie waren sich gar nicht bewusst, dass ein digitales Patientenportal zur Verfügung stand. An anderer Stelle fehlte der digitale Zugang oder sie waren der Überzeugung, dass es keinen Mehrwert böte – ohne es überhaupt genutzt zu haben. Auch mangelnde Kenntnisse oder eine relative komplizierte Nutzung gehörten zu den Hürden für Patienten.

Ähnlich sah es bei der Belegschaft aus, die sich vor zusätzlicher Arbeitsbelastung durch das Patientenportal fürchtete oder aufgrund mangelnder digitaler Fähigkeiten nicht über das Portal mit den Patienten interagieren konnte. Auch die Sorge, nicht schnell genug reagieren zu können, hielt die Belegschaft davon ab, digitale Lösungen in den Klinikalltag zu integrieren. Des Weiteren war die Sorge vor Haftungsrisiken hoch.

Quintessenz für künftige Projekte

Die älteren US-Studien in Kombination mit den neueren europäischen Erkenntnissen weisen aus meiner Sicht vor allem in eine Richtung: Digitale Patientenportale können einen wesentlichen wirtschaftlichen Beitrag in den Kliniken leisten und gleichzeitig die qualitative Versorgung der Patienten verbessern, WENN der Veränderungsprozess, der automatisch mit der Einführung eines Portals verbunden ist, gegenüber denbPatienten und dem Personal gut kommuniziert wird.

Es heißt allerdings auch, dass die Lösung, die eingeführt wird, einfach und transparent nutzbar sein muss – für Patienten und die Belegschaft gleichermaßen. Beispielsweise müssen wichtige Funktionen des Krankenhausinformationssystems, etwa der dort hinterlegte Kalender, in das Patientenportal integriert werden muss. Denn wenn ein Patient über das Portal eine Behandlung bucht, muss das sofort im KIS in Echtzeit ersichtlich sein. Nur so entsteht kein zusätzlicher Arbeitsaufwand für die Belegschaft. Die übergeordneten Schlagwörter heißen hier Schnittstellen und Interoperabilität.

Für die Patienten muss ein barrierefreier Zugang zum Portal gewährleistet sein. Das heißt, ganz gleich, ob die dort hinterlegten Services über das eigene, vom Patienten mit in die Klinik gebrachte Device oder vom Bedside-Terminal des Hauses genutzt werden, die Usability muss hoch, die Nutzung einfach und unkompliziert sein, sodass nicht nur die Digital Natives sich die Leistungen spielerisch erschließen können Wir haben mit gut durchdachten Lösungen jetzt die Chance, Sorgen und Bedenken bei den Nutzern digitaler Patientenportale abzubauen, sodass wir uns ohne Umwege den Mehrwert von Nutzen und Wirtschaftlichkeit erschließen können, der in den USA-Studien aufgezeigt wird. Technisch sind passende Lösungen vorhanden. Und mit dem KHZG stehen nun auch die finanziellen Mittel bereit, um den Vorsprung anderer Nationen deutlich zu verkleinern. Packen wir es also an.