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„Zu viele Krankenhäuser haben keine Digitalstrategie“

Lange Lunte, großer Knall – für CGM-Geschäftsführer Bernhard Calmer ist der Erfolg des KHZG keine Frage, auch, wenn es bis dahin noch einige Herausforderungen zu adressieren gilt.

Herr Herr Calmer, in der Krankenhauswelt herrscht dank des KHZG Aufbruchsstimmung in Sachen Digitalisierung. Wie bewerten Sie das Konjunkturprogramm?

Aus meiner Sicht ist das KHZG eine unfassbare Chance, denn die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist bisher sehr fragmentiert. Das liegt vor allem daran, dass vorrangig Projekte umgesetzt wurden, die entweder einen klaren Return on Investment hatten oder die aufgrund von Auflagen des Gesetzgebers zwingend erforderlich waren. Um das große Ganze oder die IT-Infrastruktur hat man sich bisher nicht gekümmert. Und genau das kann durch das KHZG angegangen werden.


Reichen die Fördertöpfe wirklich aus, um grundlegende Veränderungen einzuleiten?

Das KHZG ist sehr fokussiert aufgelegt und bringt in einem relativ kurzen Zeitraum eine ungeheure Summe Geld ins Spiel, wie man so schön sagt. Um das ganze einmal in Relation zu setzen haben wir beim bvitg hierzu eine Erhebung gemacht. Der Gesamtmarkt der Digitalisierung in Deutschland, also inklusive der Ambulanzen und Reha-Einrichtungen, ist etwa 1,5 Milliarden Euro groß. Zieht man hiervon die Hälfte für Ambulanz und Reha ab, bleiben 750 Millionen. Wenn man nun davon ausgeht, dass davon wiederum etwa die Hälfte in Wartung und Pflege der Systeme investiert werden müssen, bleiben großzügig gerechnet 375 Millionen Euro pro Jahr übrig. Das verdeutlicht, welche Schubkraft hinter den 4,3 Milliarden Euro des KHZG steckt, die nun innerhalb von drei Jahren in Digitalprojekte investiert werden können.

Wobei die Gesamtsumme auf die einzelnen Kliniken in Deutschland runtergerechnet wieder recht überschaubar wirkt.

Das stimmt natürlich. Allerdings muss man hier zunächst festhalten, dass der Gesetzgeber nicht vorgesehen hat, dass alle Kliniken einen Teil des Fördertopfes abbekommen. Das ist eine Thematik, die ich nur streifen möchte, da sie sehr komplex ist – durch die föderale Struktur Deutschlands und durch den zukünftigen Abschlag von zwei Prozent auf den Rechnungsbetrag bei jedem voll- und teilstationären Fall. Aber selbst wenn wir die Förderung gleichmäßig auf die rund 2.000 Häuser in Deutschland verteilen würden, bekäme jede Klinik immerhin rund 1,5 Millionen Euro für Digitalisierungsprojekte an die Hand. Diese Summe kann man dann entweder für ein Da-Vinci-Operationssystem ausgeben, Fördertatbestand 9, das zufällig genau diese Summe kostet, oder aber man erarbeitet eine Digitalisierungsstrategie, die auch in Zukunft Vorteile für das jeweilige Haus bietet.

Liegt nicht genau hier die Schwierigkeit? Kliniken sind personell ohnehin dünn besetzt – oftmals gibt es nicht einmal einen IT-Verantwortlichen und externe Berater und Ressourcen sind derzeit knappes Gut.

Das Dilemma ist in jedem Fall, dass zu viele Krankenhäuser keine Digitalstrategie haben. Und weil Ressourcen und Berater knapp sind, ist hier Vorsicht bei der Auswahl geboten. Wichtig ist, dass alle Seiten – Kliniken, Lösungsanbieter und Berater – nun Ressourcen aufbauen. Denn auch diese Möglichkeit bietet das KHZG: Kliniken können selbst die Umsetzung der Projekte aus den Fördertöpfen finanzieren. Irgendwann müssen Sie die Systeme natürlich übernehmen, aber ganz akut kann man sich die Unterstützung ins Haus holen, die benötigt wird, und bekommt dafür sogar Zuschüsse aus dem KHZG-Fördertopf.

Das heißt, es muss nicht zwangsläufig der OP-Roboter sein, um wenigstens einen Fördertatbestand zu erfüllen, sondern jetzt ist die Gelegenheit, Projekte umzusetzen, die tatsächlich die Menschen entlasten, die in den Kliniken arbeiten?

Positiv ausgedrückt kann das KHZG genau das leisten, ja.

Was braucht es Ihrer Meinung nach, damit aus der KHZG-Förderung genau dieser positive Beitrag wird?

Da wir mit Blick auf die Digitalisierung eine sehr rudimentäre Ausgangsbasis haben, wird das KHZG auf jeden Fall einen positiven Beitrag leisten. Außerdem wird bei Konjunkturprogrammen immer auch ein gewisser Streuverlust einkalkuliert. Es wäre für die Krankenhäuser sicher gut, nicht zu versuchen, alle elf Fördertatbestände zu bespielen. Damit wären wir dann allerdings wieder bei der übergeordneten Digitalisierungsstrategie, für die es entweder die personellen Ressourcen im Haus, auf Seiten der Dienstleister oder gute externe Berater braucht. Alle beteiligten Parteien haben also noch die ein oder andere Hausaufgabe zu erledigen.