Es ist immer gut, seine Meinung und Einschätzung einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Daher wollte ich von meinem LinkedIn-Netzwerk wissen, wie es die Chancen für Digital Health in diesem Jahr einschätzt. Über das Timing für den großen Durchbruch mögen wir uns (noch) uneins seien. Dass er jedoch kommt, daran glaub die große Mehrheit. Eine Analyse.
Ich bin nun schon einige Jahre als Digital Healthcare Pionier in Deutschland unterwegs und als solcher quasi von Berufswegen Optimist. Vielleicht bin ich auch deshalb überaus positiv in das neue Jahr gestartet, weil ich es für wegweisend für die Digital Healthcare Branche in Deutschland halte. Das ist zum einen ein Bauchgefühl, das aber natürlich auf der Erfahrung beruht, die ich in den Jahren habe sammeln dürfen. Außerdem bestärken mich Digitalisierungsinitiativen wie das KHZG oder das Feedback aus den zahlreichen Branchengesprächen im Gesundheitswesen, die ich täglich führe.
Dennoch wollte ich unbedingt wissen, was andere Expertinnen und Experten dazu sagen, und habe hier bei LinkedIn eine kleine Umfrage gestartet. Eine Woche lang konnte abgestimmt werden, ob 2022 DAS Jahr für Digital Health in Deutschland wird. Insgesamt 121 Stimmen wurden abgegeben und das Ergebnis war denkbar knapp:

Einigkeit: Digital Health geht nicht mehr weg
Natürlich ist das keine repräsentative Umfrage. So viel sei aber verraten: Unter den abgegebenen Stimmen sind einige „Hochkaräter“ des Gesundheitswesens. Daher bin ich an dieser Stelle so frei und sage: Die Branche ist sich einig, Digital Health ist gekommen, um zu bleiben. Und das ist auch nicht weiter verwunderlich. Denn wo immer Fortschritt einen spürbaren Mehrwert, eine Entlastung oder Erleichterung bietet, wird er angenommen. Oder kennen Sie heute noch jemanden, der sein Smart Phone verflucht (ok, manchmal) und sich dafür Telefonschnur und Wählscheibe zurückwünscht?
Wo ich wohl etwas optimistischer bin als die Mehrheit der Befragten, sind die Aussichten für die Branche in diesem Jahr. Knapp die Hälfte befindet, der Durchbruch dauere noch. Aber immerhin 40 Prozent stimmen mir zu, dass die Zeichen in diesem Jahr für Digital Health extrem gut stehen. Auch die Gesundheitsforen Leipzig GmbH stimmt mir zu. Dort wurde im Januar dieses Jahres ein Trend Dossier veröffentlicht, das erklärt, „Warum 2022 das Jahr für das digitale Gesundheitswesen wird“.
Die drei Hauptargumente dort:
1. Die Wirtschaftspolitik werde insbesondere auf europäischer Ebene stark von der Einführung innovativer, ergo digitaler Technologien getrieben. Man könne deshalb von einem Digitalisierungsschub ausgehen, der Grundsatzfragen zur Datensouveränität, Datensicherheit, Datennormen und Usability klären werde – wichtige Treiber für eine schnellere Digitalisierung im Gesundheitswesen.
2. Der technologische Fortschritt selbst sei in einer digitalen Welt der Normzustand, was der freie Markt an Gesundheitsanwendungen bereits zeige.
3. Die Zeit – in den letzten Jahren habe die Digitalisierung Einzug in so viele Bereiche unseres Alltags gehalten, sodass wir uns alle an sie gewöhnen, ja sie vielleicht sogar schätzen lernen konnten.
Digitale Gesundheitsanwendungen werden erlebbar
Die äußeren Einflüsse, die die Gesundheitsforen Leipzig in ihrem Dossier aufzählen, spielen natürlich eine entscheidende Rolle. Keine Patientin, kein Patient, möchte heute noch mit einer „Aktentasche“ in einer Klinik aufgenommen werden, nur weil sie oder er dort sämtliche Befunde, Arztbriefe sowie MRT- und Röntgenbilder der letzten Jahre aufbewahrt. Keine Patientin, kein Patient möchte ihre oder seine Vitaldaten heute noch in einem analogen Tagebuch notieren. Und keine Patientin, kein Patient möchte auf die nächste Visite warten, um eine Frage an die Ärzteschaft oder Pflege stellen zu können. Stattdessen sollen sämtlich Vorberichte digital übermittelt werden, Vitaldaten und andere Parameter über die App erfasst, respektive von der Smartwatch direkt transferiert und Fragen per Chat jederzeit gestellt werden können. Warum? Weil wir das aus so vielen anderen Bereichen und Branchen gewohnt sind und sich unsere Ansprüche damit schlicht und ergreifend verändert haben. Dem kann sich der Gesundheitssektor nicht entziehen. Aber auch deshalb, weil wir merken, dass es einen Klinikaufenthalt oder Arztbesuch spürbar erleichtert, vielleicht sogar Anspannung nimmt und damit, das belegen zahlreiche Studien immer wieder, auch die Versorgungsqualität verbessert.
Gleichzeitig erfahren Ärzteschaft und Pflege überall dort, wo digitale Lösungen wie beispielsweise ein Patientenportal bereits im Einsatz sind, dass sie nach anfänglich höherem Einsatz – ja, Veränderungen erfordern immer auch einen Initialaufwand – entlastet werden, sich die Adhärenz bei den Patientinnen und Patienten erhöht und insgesamt bessere Behandlungserfolge erzielt werden können. Nicht ohne Grund hat der Gesetzgeber das Patientenportal als einen zentralen Fördertatbestand im KHZG verankert und mit der DSGVO-konformen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung via Messenger eine wichtige Voraussetzung für eine neue Art der Kommunikation zwischen Ärzteschaft, Pflege und den Patientinnen und Patienten geschaffen.#
Veränderungen aus dem Gesundheitswesen heraus
Und genau das ist der Grund, warum ich insgesamt so optimistisch in das neue Jahr starte: Der Digitalisierungsdruck kommt nicht mehr nur von außen, sodass das Gesundheitswesen sich ihm quasi chancenlos beugen muss. Die Vorteile der Digitalisierung werden immer mehr erkannt, weshalb nun auch der Digitalisierungswunsch aus dem Inneren heraus deutlich spürbar wird. Zugegeben, nur punktuell und nicht flächendeckend und auch die Herausforderungen insgesamt sind noch groß. Deshalb kann ich auch all jene Stimmen in meinem Netzwerk sehr gut verstehen, die sagen, dass der große Durchbruch für Digital Health in Deutschland noch dauern wird. Denn Lösungen müssen unbedingt immer auch nutzerfreundlich sein und im Alltag funktionieren. Oder anders ausgedrückt: Alles, was einfach ist, wird sich durchsetzen. Aber immerhin sind sich damit 87 Prozent der Befragten einig, dass der Durchbruch von Digital Health kommt – die einen erwarten ihn nur schon etwas früher. Am Ende haben wir es aber auch selbst in der Hand, ob wir 2022 zu DEM Digital Healthcare Jahr in Deutschland machen. Warum? Weil wir es können.