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„Mit dem KHZG zeigt der Bund klassisches Investorenverhalten“

Von der Patienten-Experience, über das schwierige Thema Datenschutz, bis hin zur Einbindung der Abrechnungsinstitutionen in die digitalen Prozesse der Kliniken – das Gespräch mit adesso-Vorstand Stefan Riedel ist wohl, was man allgemeinhin als „Rundumschlag“ bezeichnet, ein positiver natürlich.

Herr Riedel, die adesso SE ist einer der führenden IT-Dienstleister im deutschsprachigen Raum. Ihr Claim lautet „Business, People, Technology“. Wie wichtig ist dieser Dreiklang für Digitalisierungsprojekte?

Aus unserer Sicht ist dieser Dreiklang essentiell. In der heutigen Zeit findet Technologie einfach statt. Das kann keiner aufhalten, sie wird entwickelt und das, was von den Menschen aufgegriffen wird, setzt sich durch. Bestes Beispiel ist Apple‘s iPhone. Unternehmen, egal welcher Branche, müssen lernen, Technologien für sich und ihr Geschäftsmodell zu nutzen. Wir verstehen unsere Aufgabe bei adesso darin, Unternehmen dabei zu unterstützen, ihr Geschäftsmodell auf Basis neuer Technologien am Kunden auszurichten, zudem ermöglichen diese Technologien im Gesundheitswesen neue Versorgungs- und Optimierungsansätze.

Das Technologieverständnis bringen Sie also mit. Wie tief kennen Sie die Prozesse des Gesundheitswesens?

Auch hier können wir auf ein tiefes Wissen zurückgreifen, sei es aus der behördlichen Sicht, aus Sicht der Leistungserbringer, der Kostenträger, aber auch der versicherten Patient*innen. Wir kennen die Branche also sowohl aus regulatorischer Sicht, wissen um die Interessen und Bedarfe der verschiedenen Akteure und Stakeholder und können am Ende dann noch beurteilen, was technologisch möglich ist, respektive wie sich passende Lösungen technisch am besten umsetzen lassen.

Mit diesem Know-how im Rücken: Wie beurteilen Sie die Chancen des KHZG für die deutsche Klinikwelt?

Ich glaube, die Chancen sind gewaltig. Das Gesundheitswesen ist ein maximal beanspruchtes Ökosystem, dem in Sachen Digitalisierung eigentlich „nur“ die Initialzündung gefehlt hat. Wie auch andere Unternehmen müssen Kliniken immer wieder aufs Neue abwägen, wie sie ihre Anforderungen bedienen. Durch die Pandemie sind Akzeptanz und Bedarf massiv gestiegen. Das KHZG eröffnet sogar den „Luxus“, vereinzelte Prozesse neu zu denken und in die Umsetzung zu bringen. Am Ende wird aber klassisches Investorenverhalten in einem eng regulierten System gefordert und gefördert. Es wird nicht einfach Geld in eine Organisation gegeben, in der Hoffnung, dass damit etwas Sinnvolles umgesetzt wird, sondern das Ziel, das mit der Investition erreicht werden soll, wird in den verschiedenen Fördertatbeständen bereits klar beschrieben: Im Mittelpunkt steht der Prozess der Patientenversorgung und ihre Sicherheit. Nicht zuletzt sind 15 Prozent der Förderbeträge in IT-Sicherheit, wie auch adesso sie anbietet, zu investieren.

Ist die Digitalisierung im Rahmen des KHZG eine Chance, Patient*innen und ihre „Experience“ im Krankenhaus wieder ganzheitlich zu betrachten?

Wir wissen ja, dass die interdisziplinäre und intersektorale Betrachtung eines/einer Patient*in entscheidend für den Erfolg moderner Therapien ist. Und dafür ist eine treffsichere, zielgerichtete, auf Daten basierende Kommunikation essentiell. Zudem haben Digitalisierungsprojekte auch immer eine starke Automatisierungs-Komponente. Prozesse können durchgängig, ohne Medienbrüche wo immer sinnvoll automatisch und schneller abgearbeitet werden. Wenn es also gelingt, Behandlungen mit moderner Kommunikationstechnik „von dem/der Patient*in aus“ zu ergänzen, dann kann ich in meiner jeweiligen Rolle – sei es als Arzt oder Ärztin, als  Verwaltungsangestellte(r), als Pflegekraft – die Patienten und Patientinnen natürlich ganz anders unterstützen. Man darf die Experience nicht als Entertainment-Faktor missinterpretieren. Es geht um eine optimale Versorgung, die den Häusern auch aus streng wirtschaftlichen Gesichtspunkten einen Mehrwert bietet. Insofern denke ich, dass das KHZG auch unter diesem Aspekt eine große Chance ist.

Was aber doch nur funktioniert, wenn Daten auch genutzt werden können. Bremst der Datenschutz im Gesundheitswesen diese Nutzung derzeit nicht eher aus?

Ich denke, wir müssen Datenschutz entmystifizieren. Hier gibt es viele Ängste und Unwissenheit. Es muss klar sein, wo die Daten liegen – idealerweise in der Rechtssphäre der EU – und dass diese Daten im schlimmsten Fall gehackt werden können. Aber auch auf einem Blatt Papier niedergeschrieben in der eigenen oder der Schreibtischschublade des Arztes kann im Zweifel ein unbefugter Dritter darauf zugreifen. Diesem kann ich mit einem intelligenten Consent-Management begegnen, was auch die Datenerhebung zu Forschungszwecken behandeln kann: Der/die Patient*in willigt zweckgebunden ein und kann dies auch jederzeit differenziert widerrufen. Denn was außerdem wichtig zu betonen ist: Die Vitaldaten von Stefan Riedel sind einzeln betrachtet meistens völlig irrelevant. Vor allem anonymisiert als ein Datenpunkt von vielen haben Sie einen medizinischen Mehrwert und können künftig helfen, eventuell Krankheiten zu heilen oder Therapien zu verbessern. Wenn diese Aspekte klar sind, sollte jede/r Bürger*in souverän über seine/ihre Daten verfügen und sie im Zweifel auch spenden können – und genau das ist aktuell ja auch gesetzlich angedacht.

Sie haben es anfangs schon angesprochen: adesso kennt auch die Versicherungsbranche gut, die bei Digitalisierungsprojekten im Gesundheitswesen natürlich ein wichtiger Partner sein sollte. Hat das KHZG Potenzial, hier schon Schnittstellen und Anknüpfungspunkte vorzubereiten?

Absolut, weshalb ich den Namen „Krankenhauszukunftsgesetz“ auch so passend finde. Es geht um die Zukunft der Versicherten und des Gesamtsystems, was natürlich die Abrechnungsinstitutionen sowie die generelle Interaktion der Patient*innen mit Dienstleistern im Gesundheitswesen einschließt. An der Nahtstelle der Begleitung eines Menschen in einer schweren Phase, die da Krankheit heißt, leistet der „Payer“ einen elementaren Beitrag, der im Übrigen auch sehr gerne zum „Player“ werden möchte. Es geht um Vorsorge, Unterstützung und Nachsorge, also um die Begleitung des/r Versicherten im Kontext ihrer Gesundheit. Das kann mit dem KHZG gelingen. Denn die Interaktion zwischen Teilnehmer*innen im Gesundheitssystem wird durch die Digitalisierung und den sorgsamen Umgang mit Daten grundsätzlich verbessert und die Unterstützung der intersektoralen Kommunikation, beispielsweise über die Strukturen der Telematik-Infrastruktur, ist ja bereits in das Gesetz aufgenommen.

Zu adesso