You are currently viewing „Digitale Tools müssen ihren Mehrwert erst einmal beweisen“

„Digitale Tools müssen ihren Mehrwert erst einmal beweisen“

Jared Sebhatu, CEO der digital health transformation eG, freut sich schon drauf, wenn mit dem KHZG die Basis für die Digitalisierung des Gesundheitswesens geschaffen ist und er sich mit seinem Team den wirklich innovativen Themen widmen kann.  

Jared, wenn wir uns den aktuellen Stand der Technik einmal anschauen, wird deutlich, dass insbesondere im Gesundheitswesen eine große Lücke klafft, zwischen dem was möglich ist und was tatsächlich umgesetzt wird. Kann diese Lücke mit dem KHZG zumindest verringert, bestenfalls sogar geschlossen werden?

Das KHZG hat eine klare Zielsetzung: Die Modernisierung der Krankenhäuser. Deshalb glaube ich, dass wir nicht gut daran tun, an dieser Stelle über Disruption zu sprechen, wenn wir erst einmal eine solide Grundlage schaffen müssen. Und genauso interpretiere ich das KHZG: als Anschubfinanzierung mit konkreten Anwendungsfeldern, zum Teil schon etablierten, die nun in die Breite getragen werden sollen. Wenn uns das gelungen ist, was schon eine große Herausforderung darstellt, können wir über Innovationen, vielleicht sogar Sprunginnovationen sprechen.

Von einem digitalen Gesundheitswesen sprechen wir also auch nach dem KHZG noch nicht?

Ich bin davon überzeugt, dass nach dem KHZG Krankenhäuser in der Breite in der Lage sind, digitaler zu denken und digitale Prozesse umzusetzen. Dafür wird aktuell die Grundlage geschaffen. Von einem wirklich digitalen Gesundheitswesen sind wir noch ziemlich weit entfernt.

Wie schätzt du die Zeitschiene ein, lässt sich die Grundlage, von der du sprichst, bei dem Batzen Arbeit, der gleichzeitig auf die Kliniken zurollt, in der vorgegebenen Zeit überhaupt bewerkstelligen?

Positiv formuliert muss man festhalten, dass dieser Batzen Arbeit auf alle gleichermaßen zurollt. Aber natürlich sorgt die ambitionierte Zeitschiene für Druck im System, keine Frage. Und auch das Korsett ist durch die relativ konkreten Fördertatbestände sehr eng. Also je nachdem, mit welchem Digitalisierungsgrad ein Haus startet, sind Zeitschiene und Korsett mehr oder weniger ambitioniert und eng. Denjenigen, die seit Jahren eine Digitalisierungsstrategie verfolgen, fällt die Planung und Umsetzung der KHZG-Projekte vermutlich leichter. Aber auch hier werden die nächsten Wochen und Monate sicher anspruchsvoll. Wer hingegen auf der berühmten „grünen Wiese“ gestartet ist, musste zunächst einmal Projektverantwortlichkeiten definieren und Ressourcen schaffen. Und das ist ja nur der erste Meilenstein. Richtig spannend wird es in der anschließenden Umsetzungsphase. Grundsätzlich sind bis zu 4,3 Milliarden aber natürlich ein fantastisches Investment in die Zukunft der Branche und das KHZG schafft einen klaren Fokus auf Digitalisierungsthemen in den Krankenhäusern. Die Förderung wird in ein paar Jahren rückblickend sicherlich als ein wichtiger Meilenstein gewertet werden.

In fünf Jahren finden wir also in jeder Klinik einen Chief Digital Officer?

Wenn ich ihn brauche. Ich bin da immer sehr bedarfsorientiert. Natürlich kann man argumentieren, dass ein Haus, das mit den Fördertatbeständen 2 bis 6 die Mindestanforderungen umsetzt, in den nächsten Jahren sehr viel zu tun haben wird, sodass innerhalb der Organisation klare Verantwortlichkeiten und Prozesse beispielsweise für das Controlling dieser Projekte benötigt werden. Allerdings ist es aus meiner Sicht auch noch nicht ganz klar, was nach dem KHZG kommt. Denn die digitalen Tools, die jetzt implementiert werden, müssen den Einführungsaufwand durch den erzeugten Mehrwert auch erst einmal rechtfertigen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es Gründe dafür gibt, dass viele Lösungen, obwohl schon seit Jahren am Markt verfügbar, sich noch nicht flächendeckend durchgesetzt haben. Die Frage ist, warum? Sind es nur die finanziellen Mittel, also der Investitionsstau, oder gab es andere Gründe wie etwa die Tatsache, dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens einfach ein extrem komplexes Thema ist. Mit dem KHZG lösen wir zunächst die mangelnde Verfügbarkeit der finanziellen Mittel auf und sehen anschließend sicher klarer, wo kommende Herausforderungen liegen.

Ist eine dieser kommenden Herausforderungen vielleicht die mangelnde Patientenzentrierung im Gesundheitswesen?

Meiner Meinung nach ist das Gesundheitswesen derzeitig allein schon von seiner Aufstellung her nicht patientenorientiert, was vor allem daran liegt, dass die Finanzierung ist, wie sie ist. Wenn dann alle darüber sprechen, dass wir mehr Patientenorientierung brauchen, stelle ich gerne die Gegenfrage: Was heißt denn das konkret? Für mich ist eine Value-Based-Healthcare als Antwort spannend. Denn damit beziehen wir die Patienten in die Qualitätsmessung der Versorgungsleistung ein und bieten ihm oder ihr im besten Fall auch ein Vergütungssystem, das diese Qualitätsmerkmalen berücksichtigt. Hierzu gibt es vereinzelt schon sehr spannende Ansätze. Ich glaube, dass sich daraus ein wirklicher Wandel hin zu einem stärker patientenorientierten Gesundheitssystem entwickeln kann. Aber jetzt nur zu sagen, wir führen ein Patientenportal ein und sind dann patientenzentriert, wird nichts am System verändern und damit letztendlich auch keine echte Orientierung am Patienten bringen.

Wobei das KHZG doch schon sehr stark aus Sicht der Patienten gedacht und formuliert wurde.

Absolut. Ihm oder ihr seine, respektive ihre relevanten Behandlungsdaten zugänglich zu machen, macht super viel Sinn. Patienten werden befähigt, eine aktivere Rolle in dieser für sie hochgradig relevanten Entscheidungsfindung einzunehmen. Aber deswegen wird das Gesundheitssystem nach dem KHZG kein grundlegend anderes sein als wir es heute erleben. Die bestimmenden Parameter bleiben unverändert, weshalb es übertrieben wäre, jetzt einen Paradigmenwechsel auszurufen.

Das spannende an deiner Position: Du stehst einem Zusammenschluss von Häusern vor, die digitale Themen vorantreiben wollen. Steht eure Initiative im Zusammenhang mit dem KHZG?

Initiale Idee und Absicht, die Genossenschaft zu gründen, standen schon vor dem KHZG fest. Die offizielle Gründung ist dann tatsächlich in die spannende KHZG-Phase gefallen, was für uns Fluch und Segen gleichermaßen war. Unser Gründungsgedanke ist simpel: Die digitale Transformation im Gesundheitswesen ist im vollen Gange, woraus für die Häuser sehr viele Herausforderungen entstehen, für die es zum Teil weder Kompetenzen noch Ressourcen gibt. Und anstatt sich in jedem Haus darum zu bemühen, diese aufzubauen, war die Idee, eine zentrale Anlaufstelle zu schaffen, die sich um Know-how und Expertise kümmert. Im Zusammenspiel mit dem KHZG hat sich hier natürlich noch einmal eine massive Dynamik entwickelt. Dafür ist der thematische Rahmen natürlich nun auch sehr eng. Denn eigentlich möchte ich an den Potenzialen in einem Gesundheitssystem der Zukunft arbeiten. Welche Geschäftsmodelle können sich etablieren, wie wandelt sich vielleicht auch die Rolle des Krankenhauses als zentraler Versorger? Allerdings können wir diesen Fragen nicht nachgehen, ohne den aktuellen Status aus den Augen zu verlieren, weil die Herausforderungen derzeit einfach noch andere sind. Daher haben wir uns von Anfang an so aufgestellt, dass wir beiden Fragestellungen nachgehen können, also einerseits die Häuser dabei zu unterstützen, die Herausforderungen zu adressieren, die aktuell vor ihnen liegen, um sie gleichzeitig mit einem Blick in die Zukunft schon auf kommende Herausforderungen und vor allem interessante Möglichkeiten vorzubereiten.